der Jahreswechsel 2021 wird uns allen in Erinnerung bleiben. Niemals seit der Gründung der Bundesrepublik wurden Bewegungs- und Handlungsfreiheit so stark eingeschränkt, nie wurde uns bewusster, wie global vernetzt unsere Welt heute ist und wie verletzlich unsere Wertschöpfungsketten sind. Die bittere Zahl der Toten rechtfertigt für eine begrenzte Zeit die Einschränkungen, und die Hoffnung auf eine wirksame Impfung leuchtet wie Licht am Ende des Tunnels.
Aber diese Krise wird unsere Wirtschaft auf lange Zeit schädigen; sie kann unsere Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen, und die zusätzlichen Schulden werden über lange Jahre unsere Handlungsspielräume verringern. Staatliche Institutionen genießen in beruhigender Weise in der Krise Respekt und Vertrauen. Beunruhigend ist allerdings der Eindruck, dass die Gläubigkeit vieler Bürger in die Überlegenheit staatlicher Planung auch außerhalb des Katastrophenmanagements zunimmt. Die Überzeugung, dass der marktwirtschaftliche Wettbewerb die beste Methode ist, um Freiheit, soziale Sicherheit und Wohlstand zu gewährleisten, muss immer wieder begründet und verteidigt werden. Ludwig Erhard hat das immer gesehen, und diese Erkenntnis ist das Gründungsvermächtnis an unsere Stiftung.
So schwer diese Erkenntnis für viele erfahrene und engagierte Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft auch ist, eine freiheitliche und dynamische Ordnung musste gesellschaftspolitisch und wirtschaftlich immer wieder neu erstritten werden. In dieser Hinsicht war unser Gründer weitsichtiger als spätere Beobachter wie etwa Francis Fukuyama mit seinem „Ende der Geschichte“. Ludwig Erhard hatte für die grundlegenden Weichenstellungen oft mehr Gegen- als Rückenwind. Man denke nur an die Diskussionen mit den Alliierten bei der Freigabe der Preise oder die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts. Die Illusion der Risikominderung durch staatliche Bevormundung wird immer wieder aufkommen und in Zeiten großer Veränderungen auch immer populär sein.
Die Ludwig-Erhard-Stiftung wird auch in Zukunft den Anspruch haben, eine sichtbare und relevante Stimme der Freiheit und der Sozialen Marktwirtschaft zu sein. Dazu gehört die Pflicht der Mahnung gegenüber Parlamenten und Regierungen, ja gelegentlich sogar die Pflicht zu entschiedenem Widerspruch. Wenn man nur auf die mit der Pandemie zusammenhängenden Entscheidungen schaut, wird diese Pflicht greifbar. Wir bestreiten den Sinn großflächiger staatlicher Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen; es gibt auch in der Krise weniger schädliche Lösungen. Wir warnen vor der Lust an weiterer Verschuldung und schauen besorgt auf ein 750-Milliarden-Programm der Europäischen Union, bei dem fast händeringend nach immer mehr Ideen gesucht wird, staatliche Ausgaben zu begründen. Beim nationalen Kohlekompromiss ist es nicht anders.
Aber die Ludwig-Erhard-Stiftung darf sich nicht in Mahnung und Widerspruch genug sein. Wir wollen an der Gestaltung der Zukunft beteiligt sein, wir wollen unsere Idee der Überlegenheit der Sozialen Marktwirtschaft an den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts messen. Schon die letzte Ausgabe unserer Publikation „Wohlstand für Alle“ beschäftigte sich im vergangenen Jahr mit dem Klimawandel. Das Internet schafft neue und andere Wirtschaftsräume. Globale Plattformen und dreiseitige Verträge verändern das Marktgeschehen und können Wettbewerb sowohl befördern als auch zerstören. Unsere marktwirtschaftliche Stimme wird bei der Schaffung einer Ordnung der digitalen Ökonomie gebraucht.
In unserer Mitgliedschaft und im Kreis unserer Freunde und Förderer ist alle Expertise vorhanden, die wir für diese fordernde Aufgabenstellung benötigen. In Wahrheit sind wir besser aufgestellt als viele andere, die auch für die Sache der Freiheit streiten. Aber wir sind nicht ausreichend sichtbar. Wir treffen zu selten den Ton der jungen Bürger und auch der jüngeren Entscheider. Auch sie müssen uns hören und Relevanz in dem sehen, was wir erarbeiten und kommentieren. Es wäre schön, wenn wir Mitstreiter in anderen Stiftungen und Initiativen, von den großen Parteistiftungen bis zum Ludwig-Erhard-Zentrum in Fürth, finden würden.
Sie sehen, der neue Vorstand der Ludwig-Erhard-Stiftung hat sich viel vorgenommen. Wir haben im Dezember in neuer Formation unsere Arbeit aufgenommen. Der Vorstand ist etwas größer, jedenfalls aber auch weiblicher und jünger. Das wird uns bei den beschriebenen Zielen helfen. Unsere finanzielle Lage erfordert Konsolidierung und die Erweiterung des Kreises unserer Förderer. Aber Finanzen folgen der Aufgabe, und somit ist es das erste Ziel, unsere Arbeit zu beleben. Die Corona-Pandemie hat im letzten Jahr leider vieles unmöglich gemacht. Die Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik wird nachgeholt, unsere Kamingespräche und Lectures werden wieder aufgenommen – zur Not virtuell. Überhaupt werden wir die jetzt so gewohnten neuen Kommunikationsformen nutzen, um unseren Mitgliedern und dem Freundeskreis eine wesentlich intensivere Mitwirkung zu ermöglichen. Sie werden schon bald davon hören.
Wir danken an dieser Stelle meinem Vorgänger im Vorsitz Roland Tichy sowie Oswald Metzger und Alexander Tesche für ihre langjährige ehrenamtliche Arbeit im Vorstand der Ludwig-Erhard-Stiftung. Ganz besonderen Dank auch an die Jury des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik, deren Arbeit des letzten Jahres durch Corona leider ins Verborgene gedrängt wurde. Auf vielem, was in den letzten Jahren begonnen wurde, können wir aufbauen.
Wie eingangs erwähnt, leben wir in besonderen Zeiten. Eines der vielen vertrauten geläufigen Zitate Ludwig Erhards lautet: „Ich vertraue der privaten Initiative und glaube, dass sie die stärkste Kraft ist, um aus den jeweiligen Gegebenheiten den höchsten Effekt herauszuholen.“ Dies ist als Grundsatz für die Entscheidungen zum Neustart nach der Corona-Krise so aktuell wie damals.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesundes, friedvolles und glückliches Jahr 2021 und hoffe, dass wir uns in möglichst großer Zahl bei verschiedenen Anlässen begegnen werden.
Ihr

Roland Koch
Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung
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